Ein Londoner Schachcafé ist Schauplatz der heutigen Folge von Xenia Bayers Podcast „Schach für Kinder“. Es geht – wie schon in Folge 166 (Paul Morphy) um Schachgenies. Heute kämpfen zwei führende Schachprotagonisten des 19. Jahrhunderts gegeneinander. Ihre Partie findet im Jahr 1851 am Rande des berühmten Londoner Schachturniers statt, das der eine davon später gewinnen wird.
Bis zum 17. Zug ist es eine nahezu gewöhnliche Partie im Königsgambit, aber dann explodiert die Stellung, und die Ereignisse überschlagen sich. Später wird die Partie als die „Unsterbliche Partie“ in die Geschichte eingehen.
Xenia Bayer erzählt uns mehr über die beiden Schachgenies, wie sie heißen und was aus ihnen geworden ist.
Episodenskript
Hallo liebe Zuhörer,
ich heiße Xenia Bayer und das ist mein Podcast „Schach für Kinder“! „Schachgenies, Teil 2“
Umwölbt vom Zigarrenrauch sitzen zwei Menschen in einem Café in London und spielen eine Partie Schach. Beide sind Teilnehmer des internationalen Schachturniers im Rahmen der ersten Weltausstellung 1851 in London. Der eine repräsentiert Deutschland, der andere kommt aus Paris.
Die beiden Protagonisten
Der eine lernte das Schachspiel mit neun Jahren von seinem Vater und studierte gründlich die Lehrwerke von Gioachino Greco und Philidor. Der Gymnasiallehrer für Deutsch und Mathematik spielt nur gelegentlich Turniere, da er nur in den Schulferien Zeit hat. Zu dem internationalen Turnier nach London wurde er von der Berliner Schachgesellschaft entsandt und schlägt dort einen Gegner nach dem anderen, obwohl sie zu den weltbesten Spielern gehören.
Der andere ist in Estland geboren, spielte bereits mit 3 Jahren Schach und zählte zu den besten Spielern der „Ostseeprovinzen“. Ausgewandert nach Frankreich, wurde er zum Dauergast des Café de la Régence. Er nennt sich „der Schachprofessor“ (seine beste ELO-Zahl beträgt 2734) und gibt monatlich die Schachzeitschrift La Régence heraus. 1846 veröffentlicht er ein Buch mit fünfzig seiner eigenen Partien. Das Publikum ist von seinem Talent fasziniert: er kann gleichzeitig gegen vier Spieler blind Schach spielen. Er ist der Erfinder des ersten Raumschachs, dem so genannten Kubikschach, das auf einem 8 × 8 × 8 Schachbrett gespielt wird.
Schach im 19. Jahrhundert
Die Partie, die sie im Londoner Café Simpson’s am Boulevard „The Strand“ spielen, ist eine Partie außerhalb des Turniers und trotzdem wird sie in die Schachgeschichte gehen. Nicht nur, weil die beiden Kontrahenten die besten Spieler des 19. Jahrhundert sind, sondern weil diese Schachpartie ein Beispiel der Schönheit des Schachspiels ist.
Das 19. Jahrhundert ist die Zeit der Schachromantiker: schnelle Entwicklung, schnelle Angriffe, Figurenopfer. All das findet man in dieser Partie.
Es wurde das Königsgambit gespielt. Ruy Lopez beschäftigte sich mit dem Königsgambit bereits im 16. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert ist es die beliebteste Eröffnung: man opfert den Bauern auf f4, um die Figuren schnell zu entwickeln.
„Nach Meinung vieler Experten war es bis zum 17. Zug eine interessante, aber noch nicht außergewöhnliche Begegnung.
Die Besonderheit der Partie
Dann aber explodiert die Stellung plötzlich, und die Ereignisse überschlagen sich. …(Weiß) hatte einen Läufer weniger, dafür jedoch seine Figuren viel besser als …(Schwarz) entwickelt. Schwarz bedrohte allerdings die beiden Türme seines Gegners. … (der Spieler mit weißen Figuren) ignorierte dies total und setzte weiter voll auf Angriff. Er verlor den ersten Turm und bald darauf auch noch den zweiten. Statt die Schwerfigur zu schützen, machte er einen stillen Bauernzug nach e5, womit das Schicksal von Schwarz besiegelt war. In der Folge opferte …(Weiß) auch noch seine Dame und setzte den Gegner dann mit seinen Leichtfiguren matt…“ (chessbase.com)
Atemberaubend!
„Mit dem Schach kreiert man schöne Probleme und seine Schönheit wird mit dem Kopf und den Händen gemacht“, sagte Marcel Duchamp, ein französisch-amerikanischer Künstler, und diese Aussage trifft voll bei dieser Partie zu.
Weiß opfert spektakulär seine Figuren, schlägt nur drei Bauern seines Gegners und setzt mit seinen Leichtfiguren Matt!
Die Schachpartie beeindruckte auch den Verlierer. Später wird er diese Partie in der Zeitschrift La Régence veröffentlichen, um sie für die Nachwelt zu erhalten.
„Aus heutiger Sicht haben die Schachromantiker Pionierarbeit geleistet. Die damaligen Kombinationskünstler waren Entdecker. Indem …(man) solche Motive fand, hat …(man) praktisch Neuland erschlossen. …(diese) Partie wird daher auch sehr gern bei vielen Schachfesten auf dem Großfeld mit lebenden Figuren gezeigt.“, meint Artur Jussupow, der GM und der Gründer der „Jussupow Schachakademie“.
Was aus den Protagonisten wurde
Der Gewinner der Partie wird auch zum Gewinner des internationalen Turniers in London und zum besten Schachspieler der Welt. Ein Jahr später wird er noch der Autor einer anderen berühmten Partie: „der Immergrünen Partie“.
Wilhelm Steinitz, der 1. Schachweltmeister, sagte über ihn: “Er ist der größte Schachspieler aller Zeiten. Sein glänzender Stil, die Schönheit seiner Kombinationen und seine tiefgreifenden Gedankengänge sind einzigartig…“.
Der andere stirbt zwei Jahre später „arm und verlassen, wie er gelebt hatte, von wenigen gekannt und von niemandem betrauert“. (H.v. Gottschall) Zu seiner Beerdigung kommt nur ein Kellner aus seinem Schachcafe.
Es waren zwei Schachgenies: Adolf Anderssen und Lionel Kieseritzky, die die „Unsterbliche Partie“ gespielt haben.
Bis zum nächsten Mal!
Eure Xenia Bayer
Links:
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