Ein neues Format auf Schachgeflüster! Xenia Bayer betreibt einen Schachpodcast für Kinder. Künftig werden ihre Folgen auch bei Schachgeflüster veröffentlicht.
Die heutige Folge dreht sich um die Kunst der Analyse. Xenia spannt einen Bogen von Botwinnik über Ruy Lopez und die italienische Schachschule.
Viel Vergnügen beim Zuhören!
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Hallo liebe Zuhörer,
ich heiße Xenia Bayer und das ist mein Podcast „Schach für Kinder“! Die 25. Folge: „Schach ist die Kunst der Analyse“ „Schach ist die Kunst der Analyse“, sagte Michail Botwinnik, der 6. Schachweltmeister.
Diese Aussage beschreibt meiner Meinung nach die Entwicklung des Schachspiels ab dem 15. Jh.: neue Schachregeln kamen, die Schachmeister zogen von Land zu Land, Schulen und Akademien wurden gegründet, die ersten Schachmeisterschaften fanden statt, die Partien der Schachmeister wurden aufgezeichnet, gedruckt und analysiert, die ersten Bücher der Schachtheorie erschienen.
Als grundlegendes Schachlehrbuch galt damals das Buch „Questo libro e da imparare giocare et le pertite“ von dem portugiesischen Schachmeister Damiano de Odemira. Der Geschichte nach hob der Papst Leo der X. das kirchliche Verbot des Schachspiels 1513 auf, nachdem das Buch von Damiano de Odemira erschien.
1561 kam ein anderes Buch: „Libro de la invención liberal y arte del juego del Axedrez“ („Die Erfindungsgabe und Spielkunst im Schach“) heraus. Sein Verfasser, der spanische Priester Ruy Lopez de Segura, wird seither als „Vater der Schachtheorie” bezeichnet. Die Schacheröffnung von Ruy Lopez, auch als spanische Eröffnung bekannt, ist eine der ältesten Schacheröffnungen:
- e4 e5
- Sf3 Sc6
- Lb5
Lopez beschäftigte sich mit dem Königsgambit und als Erster verwendete er das Wort Gambit in der Schachtheorie. Ruy Lopez war ein sehr starker Schachspieler. 1560 und 1573 hat er in Rom die besten Spieler Italiens besiegt. Damals galten Spanien und Italien als die konkurrierenden Zentren des Weltschachs. Der spanische König Philippe der II. war ein großer Freund des Schachspiels. An seinem Hof sammelten sich die besten Schachspieler Spaniens.
1575 fand am spanischen Königshof in El Escorial bei Madrid das erste internationale Turnier der Schachgeschichte statt. Auf Einladung von König Philippe den II. kam der italienische Schachmeister Giulio Cesare Polerio, wessen Name für das „Goldene Zeitalter“ des italienischen Schachs steht. Polerio war nicht nur ein starker Schachspieler, sondern auch ein brillanter Theoretiker: seine 7 Manuskripte zur Schachtheorie sind bis heute bekannt.
In einem Manuskript von 1549 analysierte er die sizilianische Verteidigung. In dem anderen eine Variante vom Königsgambit, bei der Material geopfert wird, um schnell an den gegnerischen König zu kommen. Diese Variante ist als Polerio-Gambit bekannt.
Zusammen mit Polerio kamen Giovanni Leonardo da Cutri und Paolo Boi nach Madrid. Paolo Boi aus Syrakus, der beste Spieler Siziliens und der Gründer einer Schachakademie spielte mit Päpsten und Königen Schach: 1549 besiegte er Papst Paul den III., befreundet war er mit Catharina von Medici, der Königin von Frankreich und einer begeisterten Schachspielerin. Paolo Boi unterlag nur dem Schachmeister Giovanni Leonardo da Cutri aus Kalabrien, einem der größten Schachmeister dieser Zeit.
1560 spielte da Cutri gegen Ruy Lopez und erlitt eine Niederlage. Für den Revanchekampf gegen Lopez studierte da Cutri in Neapel zwei Jahre lang intensiv Schach und wurde so stark, dass er in allen Wettkämpfen gegen die führenden italienischen Meister gewann, die alle lebhafte Angreifer waren. Da Cutri hatte aber einen langsamen, positionellen Stil und bevorzugte solide Strategien gegenüber atemberaubenden Kombinationen.
Die italienischen Meister wurden mit großer Ehre am Madrider Königshof empfangen. Im Turnier spielten da Cutri und Boi, Polerio trat als Trainer und Sekundant auf. Als Turnierfavorit galt Ruy Lopez de Segura. Neben Lopez spielte auch Alfonso Ceron (Seran), einer der stärksten Schachspieler Spaniens. König Philippe der II. schaute bei allen Partien zu.
Die erste Partie gewann Ray Lopez gegen Giovanni Leonardo da Cutri mit dem Königsgambit bereits nach 12 Zügen. Auch die zweite Partie verlor da Cutri. Dann kam Cesare Polerio zum Vorschein. Der Kampf der Theoretiker hatte begonnen. Dank seinem Trainer Polerio gewann da Cutri gleich 3 Partien am Stück.
Da Paolo Boi, der zweite italienische Schachmeister, auch gegen die Spanier Ray Lopez und Alfonso Ceron gewann, standen sich im Finale beide Italiener gegenüber. Die ersten zwei Stichkampfpartien endeten Remis. Die dritte Partie ging an da Cutri und er wurde der erste internationale Turniersieger in der Schachgeschichte.
Von König Philippe dem II. erhielt Giovanni Leonardo da Cutri für seinen Sieg beim Turnier einen Hermelinmantel und einen mit Edelsteinen verzierten Salamander. Seine Heimatstadt Cutro wurde für 20 Jahre von den Steuern befreit. Nicht nur der Sieger des Turniers erhielt eine Belohnung, sondern auch sein Trainer. Philippe der II. von Spanien war so von Polerio’s Schachkenntnissen beeindruckt, dass er ihn mit 1000 Scudi beschenkte.
Das erste internationale Schachturnier war ein Turnier der Analytiker: Vater der Schachtheorie Ruy Lopez de Segura gegen Maestro di Scacchi Giulio Cesare Polerio, dessen Name mit der Entstehung der italienischen Schule verbunden ist.
Zum Schluss unsere Rubrik „Interessante Fakten über Schach“:
SCHACHPARTIE MIT LEBENDIGEN FIGUREN
Alle zwei Jahre im September in Marostica, Italien auf Piazza Castello wird die berühmteste Schachpartie Italiens gespielt. 600 Darsteller in mittelalterlichen Kostümen, darunter Fahnenschwinger, Narren und Feuerspeier, spielen das Duell nach, das sich im Jahr 1454 zwischen zwei Rittern Rinaldo d’Angarano und Vieri da Vallonara ereignete.
Die Ritter verliebten sich in Lionora, die Tochter des Statthalters von Marostica. Der Statthalter, der sich keinen von beiden zum Feind machen wollte, entschied, dass er seine Tochter demjenigen zur Braut geben würde, der eine auf dem Exerzierplatz mit lebenden Figuren ausgetragene Partie des “edlen Schachspiels” gewinnt.
Da die Originalzüge der Schachpartie verloren gegangen sind, werden zwei klassische Schachpartien nachgestellt, die als die „unsterbliche Partie“ und die „immergrüne Partie“ bekannt sind.
Bis zum nächsten Mal!
Eure Xenia Bayer